11.01.2025 | 5 Min

Dr. Holiday hat Urlaub

Kein Geld mehr für kranke Arbeitnehmer? Die Debatte um den Karenztag

In den letzten Tagen sorgte Allianz-Chef Oliver Bäte mit einer kontroversen Aussage für Aufsehen: Er plädierte für die Abschaffung der Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten – insbesondere die Gewerkschaften gingen sofort auf die Barrikaden. Doch was steckt hinter dieser Forderung, und welche Auswirkungen hätte eine solche Regelung?

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  1. Was hat Oliver Bäte wirklich gesagt?

Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz, ist bekannt für seine klaren Worte. In einem Interview mit dem Handelsblatt sagte er, dass Krankmeldungen unattraktiver gemacht werden sollten. Sein Vorschlag: Einführung eines Karenztages, an dem Arbeitnehmer selbst für ihren Lohnausfall aufkommen müssen. Diese Regelung gab es in Deutschland bis in die 1970er Jahre, bevor sie abgeschafft wurde. Damals mussten Arbeitnehmer den ersten Krankheitstag selbst tragen, bevor der Arbeitgeber für die Lohnfortzahlung aufkam.

Die Reaktionen darauf waren erwartungsgemäß gespalten. Während Arbeitgeber die Idee begrüßen, weil sie sich davon eine Senkung der Krankentage versprechen, sehen Arbeitnehmerverbände und Gewerkschaften das als unfaire Benachteiligung der Beschäftigten.

  1. Die Realität der Krankmeldungen in Deutschland

Ein wichtiger Aspekt in dieser Diskussion sind die aktuellen Zahlen: Arbeitnehmer in Deutschland fehlen im Durchschnitt 20 Tage pro Jahr. Zum Vergleich: In der EU liegt der Durchschnitt bei nur acht Tagen. Das bedeutet, dass deutsche Arbeitnehmer im Schnitt mehr als doppelt so lange krank sind wie ihre europäischen Kollegen. Diese Differenz wirft Fragen auf, die Bäte mit seinem Vorschlag adressieren möchte.

Ein weiteres Problem ist die sogenannte "Montags- und Freitagskrankheit" – Krankmeldungen, die auffällig oft an Brückentagen erfolgen. Dies lässt vermuten, dass es in manchen Fällen nicht um tatsächliche Erkrankungen, sondern eher um verlängerte Wochenenden geht. Eine Regelung wie der Karenztag könnte hier als Abschreckung dienen.

  1. Ist ein Karenztag fair?

Die Kritiker des Vorschlags argumentieren, dass eine solche Maßnahme vor allem schwächere Arbeitnehmer treffe. Wer krank ist, kann schließlich nichts dafür und sollte nicht auch noch finanziell bestraft werden. Zudem könnte ein Karenztag dazu führen, dass sich Arbeitnehmer krank zur Arbeit schleppen, um keinen Verdienstausfall zu riskieren – mit der Folge, dass sie möglicherweise Kollegen anstecken und die Produktivität insgesamt sinkt.

Befürworter hingegen sehen darin eine Möglichkeit, Krankmeldungen bewusster und verantwortungsvoller zu gestalten. Ein Karenztag könnte helfen, die Zahl der "bequemlichen" Krankmeldungen zu senken und Unternehmen zu entlasten. Viele europäische Länder haben ähnliche Regelungen – warum also nicht auch Deutschland?

  1. Die Rolle der Medien in der Debatte

Wie so oft wurde auch dieses Thema von den Medien stark polarisiert dargestellt. Während manche Berichte Bäte als eiskalten Kapitalisten darstellen, der Arbeitnehmern Geld wegnehmen will, fehlt oft die differenzierte Betrachtung. Es geht nicht darum, kranken Menschen die Unterstützung zu verweigern, sondern um die Frage, ob das aktuelle System zu viele Fehlanreize bietet.

Interessanterweise wurde in der Berichterstattung wenig erwähnt, dass Bäte sich in demselben Interview für eine höhere Besteuerung großer Erbschaften ausgesprochen hat – ein Vorschlag, der ihn eher als sozial denkenden Unternehmer erscheinen lässt. Doch Schlagzeilen verkaufen sich besser, wenn man Kontroversen zuspitzt.

  1. Learning : Brauchen wir eine Reform der Lohnfortzahlung?

Die Diskussion um den Karenztag ist nicht neu und wird auch in Zukunft immer wieder auftauchen. Während viele Arbeitnehmer Angst vor finanziellen Nachteilen haben, sehen Unternehmen und Arbeitgeberverbände darin eine Chance, Krankmeldungen bewusster zu gestalten und wirtschaftliche Verluste zu minimieren.

Die Lösung liegt vermutlich in der Mitte: Vielleicht braucht es eine differenzierte Regelung, die zwischen kurzfristigen Krankmeldungen und schwerwiegenderen Erkrankungen unterscheidet. Eine pauschale Abschaffung der Lohnfortzahlung für den ersten Krankheitstag wäre sicherlich problematisch – doch ein System, das Missbrauch reduziert, könnte sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer sinnvoll sein.

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